Bis zum Jahr 1989 bin ich in einem Land aufgewachsen, in dem die Bespitzelung der Bürger zum Alltag gehörte, in dem eine zentrale Zensur dafür sorgen sollte, dass die Bürger vor schädlichen Informationen „geschützt“ wurden. Und wenn man den Behörden einmal als Querulant aufgefallen war, war es jedem klar, dass auch die eigene Wohnung nicht mehr privat war. 1989 habe ich zusammen mit meinen Eltern Plakate für das „Neue Forum“ gemalt und im Schutz der Nacht in der Stadt verteilt. Mit der Hilfe von vielen tausend mutigen und besonnenen Menschen konnte die Diktatur in der DDR friedlich zu Fall gebracht werden und wir konnten viele Jahre in einem freien Land leben.
Die aktuelle politische Entwicklung in der Bundesrepublik betrachte ich jedoch mit großer Sorge. Das Post und Fernmeldegeheimnis wurde abgeschafft. Es werden Sender und Empfänger, sowie der Betreffe einer jeden E-Mail erfasst und gespeichert. E-Mail und Telefonanbieter müssen den Sicherheitsbehörden Zugänge bieten, über die ohne Kontrolle des Unternehmens dessen Kunden abgehört werden können. Die Unschuldsvermutung wurde abgeschafft, indem verdachtsunabhängig die Kommunikationsdaten aller Bürger erfasst und Vorrat gespeichert werden. Die neuregelung des BKA Gesetzes verschafft den Polizeibehörden weitreichende Befugnisse (Raster- und Schleierfahndung, Einsatz von verdeckten Ermittlern, Lauschangriff (auch innerhalb der Wohnung dritter Personen), Videoüberwachung innerhalb der Wohnung, heimliches Betreten von Wohnungen). Diese und viele weitere Sicherheitsgesetze lassen in mir die Vermutung aufkommen, dass in Deutschland das Fundament für eine neue Diktatur geschaffen werden soll.
Mit dem am 18.6.09 beschlossenen Zugangserschwernisgesetz ist für mich eine Grenze überschritten worden, nach der ich nicht mehr nur passiv die Entwicklung verfolgen kann. Mit der Abschaffung der Gewaltenteilung und der Einführung einer zentralen Zensurinfrastruktur sind zwei wichtige Pfeiler, die die Merkmale einer Demokratie ausmachen gefallen.
Mit der beschlossenen Einführung einer zentralen Zensurinfrastruktur kann das vorgehaltene Ziel, „Schutz der Kinder“ vor sexuellen Missbrauch nicht erreicht werden. In meinen Augen ist das Gesetz für diesen Zweck sogar kontraproduktiv. Das vom Parlament verabschiedete Gesetz löst nicht das Problem des Missbrauchs. Es löst nicht die Probleme der Opfer und es führt auch nicht zur Verfolgung der Täter. Es sorgt nicht dafür, dass Entsprechendes Material von den Servern und damit effektiv aus dem Netz entfernt wird. Es legt lediglich einen Schleier über das unsägliche Verbrechen an Kindern und Jugendlichen, der mit wenig Aufwand umgangen werden kann. Was bleibt, ist ein Gesetz zur Legalisierung von Zensur.
Die gebetsmühlenartig wiederholten Falschinformationen zur Gesetzesbegründung lassen mich im besten Fall an der Kompetenz und im schlechtesten Fall an der Seriosität der beteiligten Politiker in der großen Koalition zweifeln. Insbesondere erschüttert hat mich das enthaltende Abstimmungsverhalten einiger Abgeordneter der Grünen. Die nachgereichte Begründung lässt den Eindruck entstehen, dass die Abgeordneten der Grünen sich in diesem Fall persönlich eher für die Einführung einer zentralen Zensurinfrastruktur entschieden hätte. Zwanzig Jahre nach dem „neuen Forum“ scheinen hier die Grundlagen, die für eine Basisdemokratie notwendig sind, verloren gegangen zu sein.
Um ab sofort aktiv an der politischen Entwicklung teilzunehmen bin ich der Piratenpartei beigetreten. Mir geht es in der Parteiarbeit zukünftig um den Erhalt demokratischer Prinzipien in Deutschland, den freien Zugang zu Bildung und den Erhalt unserer Ökosystems. Der Parteiname „Die Piraten“ ist provokant gewählt hat seine Grundlage in Schweden, wo die Einführung neuer Gesetze zu einer breit geführten Diskussion geführt hat. Er ist eine ironische Antwort auf den Vorwurf von Seiten der Musik- und Filmindustrie, Nutzer von Internet-Tauschbörsen wären „Raubkopierer“ und „Piraten“. Der Name Piraten steht dort inzwischen für viele junge Menschen die sich auf politischer Ebene mit Themen der Informationsgesellschaft und digitalen Bürgerrechten auseinandersetzen.
Am Sonntag dem 28.6.09 hat sich der Thüringer Landesverband der Piratenpartei gegründet, mit dem Ziel, sich an der Bundestagswahl im September zu beteiligen. Dafür sind in Thüringen bis zum 23.7.09 2000 Unterstützerunterschriften zu sammeln. Ein anspruchsvolles Ziel in einem sehr knappen Zeitraum. Auch in anderen Bundesländern werden noch Unterstützungsunterschriften für die Wahl gesucht. Hier bitte ich um Eure Mithilfe.
Auch wenn das Ziel, der Einzug in den Bundestag im September nicht erreicht wird, ist es notwendig sich als außerparlamentarische Opposition an der politischen Entscheidungsfindung zu beteiligen. Zum Beispiel indem durch fundierte Hintergrundinformationen zur Meinungsbildung beigetragen wird. Wir dürfen die Zukunft unseres Landes nicht „alten Männern mit Kugelschreibern“ überlassen, die sich von der globalen Gesellschaft und neuen Kommunikationswegen bedroht fühlen.
Deshalb rufe ich Euch auf, beteiligt Euch an der Debatte unter dem Motto:
KLARMACHEN, ZUM ÄNDERN!